NOW Kommentar: Leerstaende sind kein Kundenfehler – »Der Buerger bekommt den Handel, den er nachfragt«
#NOW #Kommentar: #Leerstände sind kein #Kundenfehler – »Der Bürger bekommt den Handel, den er nachfragt«
- Dieser Satz klingt nach Analyse, ist aber in Wahrheit eine bequeme Ausrede.
#Gütersloh, 20. Dezember 2025
Zu sagen, der #Bürger bekomme den Handel, den er nachfragt, unterstellt, dass Innenstädte reine #Marktplätze seien, auf denen #Angebot und #Nachfrage neutral aufeinandertreffen. Das waren sie nie. Innenstädte lebten von #Beziehungen, von #Gegenseitigkeit, von einem stillschweigenden #Vertrag zwischen #Händlern, #Kunden, #Medien und #Stadtgesellschaft. Dieses #Rad der #Reziprozität dreht sich nicht mehr.
Wer heute über #Leerstände spricht und dabei allein auf das #Kaufverhalten der Bürger zeigt, hat das eigentliche #Problem nicht erkannt: Der Einzelhandel ist vielerorts weder willens noch fähig, sich grundlegend weiterzuentwickeln. Statt Erlebnisse zu schaffen, wird Ware gestapelt. Statt Haltung zu zeigen, wird geklagt. Statt sich zu verändern, wird erklärt, warum Veränderung angeblich unmöglich ist. Statt sinnvoll zu »digitalisieren«, werden dysfunktionale Lösungen versucht und scheitern reihenweise.
Die #Innenstadt bietet oft nichts mehr, was #Onlinehändler nicht auch bieten – nur langsamer, unflexibler und ohne Preisvorteil. Beratung, einst das große Alleinstellungsmerkmal, wird beschworen, aber selten eingelöst. Kompetenz ist kein #Schild im #Schaufenster, sondern eine spürbare Leistung. Wo sie fehlt, fehlt auch der Grund, lokal zu kaufen.
Hinzu kommt: Reziprozität funktioniert in beide Richtungen. Wer lokal nichts investiert – keine #Sichtbarkeit, keine #Kooperation, keine #Unterstützung lokaler #Öffentlichkeit – darf sich nicht wundern, wenn lokale Loyalität ausbleibt. Bindung entsteht nicht durch Appelle, sondern durch Beziehung.
All das sind grundlegende Ursachen, an denen letztlich alle beteiligt sind – #Handel, #Politik, #Verwaltung, #Medien und #Bürgerschaft. Sie lassen sich nicht ad hoc beseitigen, nicht mit einem Pop up Store und nicht mit wohlfeilen Schuldzuweisungen. Aber sie lassen sich niemals lösen, wenn man sie nicht klar benennt und nicht verstehen will.
#Polemik zum Problem zu erklären ist dabei in keiner Weise sachdienlich – im Gegenteil: Sie ist manchmal das letzte Mittel, um überhaupt #Aufmerksamkeit für ein Problem zu erzeugen, das man allzu lange verdrängt hat.
Die Wahrheit ist unbequem: Nicht die Bürger haben die Innenstadt verlassen. Die Innenstadt hat aufgehört, etwas zu bieten, das man vermisst.
Warum die Innenstadtdebatte immer wieder scheitert
Kaufen ist eine Willensentscheidung, keine Pflichtübung
Menschen kaufen nicht dort, wo es objektiv »richtig« wäre, sondern dort, wo sie es wollen. Wollen entsteht nicht durch Appelle, sondern durch Attraktivität, Relevanz und Bedeutung. Solange die Innenstadt keinen Wunsch auslöst, ist jede Diskussion über Parkplätze, Mieten oder Marketing zweitrangig.
Die falsche Frage dominiert die Debatte
Nicht: Warum kaufen die Menschen online? Sondern: Warum wollen sie nicht mehr in die Innenstadt? Wer diese Frage nicht stellt, verwaltet Symptome statt Ursachen.
Gründe ersetzen keine Wege
In Politik, Handel und Verwaltung werden Gründe gesammelt: warum etwas schwierig ist, warum es rechtlich nicht geht, warum andere schuld sind. Das erzeugt Erklärungssicherheit, aber keine Veränderung. Entwicklung beginnt dort, wo man Wege sucht – nicht Rechtfertigungen.
Innenstädte sind Kulturorte, keine Warenlager
Der Onlinehandel ist bei Preis, Auswahl und Bequemlichkeit strukturell überlegen. Wer dagegen antreten will, muss etwas anderes bieten: Atmosphäre, Beziehung, Überraschung, Kompetenz, Haltung. Ware allein reicht nicht mehr – und wird es auch nie wieder.
Reziprozität ist kein Luxus, sondern Voraussetzung
Lokale #Loyalität entsteht nur dort, wo Gegenseitigkeit gelebt wird. Wer lokal nichts investiert – weder Aufmerksamkeit noch Kooperation noch Teilhabe –, darf lokale Bindung nicht erwarten. Das gilt für Händler ebenso wie für andere Akteure der Stadtgesellschaft.
Veränderung ist möglich – aber nicht folgenlos
Eine Innenstadt, die wieder gewollt sein will, muss sich verändern. Das bedeutet Risiko, Abschied von Gewohntem und die Bereitschaft, alte Gewissheiten aufzugeben. Wer das nicht will, entscheidet sich implizit gegen Zukunft – auch wenn er das anders nennt.
Polemik ist nicht das Problem, sondern ein Symptom
Scharfe Worte entstehen dort, wo Probleme lange verdrängt wurden. Polemik ersetzt keine Lösung, aber sie kann Aufmerksamkeit schaffen – und ist manchmal der letzte Weckruf, bevor Stillstand endgültig Normalzustand wird.
Wer Gründe sucht, findet Gründe. Aber keine Wege.
Wer Wege sucht, findet Wege. Und braucht keine Gründe.
