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Foto: Andrea Piacquadio

Kulturbruch des Sehens: vom Querformat zum Hochformat

#Kulturbruch des #Sehens: vom #Querformat zum #Hochformat

#Gütersloh, 4. September 2025

Das #Auge liebt die #Breite. Evolutionär ist unser Blick ein #Panorama – wir erfassen #Horizonte, #Bewegungen am #Rand, #Gefahren aus der #Ferne. Der Mensch sieht im #Weitwinkel. Kein Wunder also, dass das #Kino im 20. Jahrhundert immer breiter wurde: von 4 zu 3 über #Cinemascope bis zu #IMAX. Das Versprechen war klar – größeres Bild, größere Welt, größeres Wir.

Heute aber kippt die Welt ins #Hochformat. #Smartphones und #Social #Media diktieren die neue #Ästhetik. #Stories, #Reels, »#TikToks« – alles streckt sich vertikal. Was früher Ausnahme war – #Portraits, #Stelen, #Kirchtürme – wird zur Norm. Der Mensch, der einst die Weite suchte, wird zum Bewohner einer visuellen Säule.

Ein Blick in die #Kunstgeschichte macht den Bruch sichtbar. Die großen Panoramen des 19. Jahrhunderts, Caspar David Friedrichs weite Landschaften, selbst die Fresken der #Renaissance – sie alle dachten in Breite. Der Horizont bedeutete Welterfahrung, Offenheit, Weitung des Blicks. Hochformate dagegen waren reserviert für #Heilige und #Herrscher, für #Denkmäler und #Sakralität. Heute wird jeder Selfie-Moment in diese aufrechte Form gepresst – als wäre jeder Mensch zugleich sein eigener Heiliger.

Auch die #Architektur spielt mit. Die Stadt richtet sich nach oben, #Türme wachsen in den #Himmel, #Fassaden werden zu #Glaswänden, #Wohnmaschinen türmen sich übereinander. Das #Smartphone zwingt das Bild in dieselbe Richtung. Eine seltsame Symbiose entsteht zwischen #Beton und #Pixel, zwischen #Skyline und #Display.

Doch was bedeutet dieser Umbruch?

Das Hochformat erzwingt #Fokus, #Ausschnitt, #Reduzierung. Statt #Panorama gibt es #Fragment. Statt #Horizont: #Portrait. Statt #Welt: #Selfie. Die Breite war kollektives Schauen – Kino im dunklen Saal, gemeinsam in die Weite starren. Die Höhe ist individuelles Schauen – das private Display, die Handfläche als Bühne. Eine Gesellschaft im vertikalen Tunnelblick.

Und genau darin liegt der eigentliche Kulturbruch. Die alte Breite des Kinos war #demokratisch, ein geteilter Raum, ein gemeinsames Bild. Die neue Höhe des #Smartphones ist #solipsistisch, jeder allein mit seiner aufrechten Welt. Das Hochformat zieht den Blick nach innen, nicht nach außen. Es verwandelt #Welterfahrung in #Selbstvermessung, #Horizonte in #Filtereffekte.

Vielleicht ist das Hochformat der #Sargnagel des Kinos, vielleicht der Verlust des kollektiven Sehens überhaupt. Der Mensch, der im Weitwinkel geboren wurde, lernt im Hochformat zu denken. Er verliert seinen #Horizont – und damit ein Stück seiner Welt.

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