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»Erzaehlen Sie mal was ueber sich!«

»Erzählen Sie mal was über sich!«

#Gütersloh, 27. Juni 2025

»Ich bin die #Uschi, ich #reite gerne, ich mag #Apfelkuchen und lese #Krimis.« So klang es einmal, wenn man sich vorstellen sollte. Man nannte ein paar Vorlieben, ein #Hobby, vielleicht eine harmlose Schwäche. Es war eine Antwort, die nicht strategisch war, sondern einfach: menschlich.

Heute hört man statt dessen Sätze wie: »Ich bin die Nevada Dakota, Influencerin, man kennt mich aus ›Beauty And The Jungle‹, ›Battle der Influencer‹, ›Promi Strandhütte‹, ›Influencercamp‹, ›TikTok‹. Ich habe 500 Milliarden Follower bei #Insta.«

Was ist da passiert?

Wir leben in einer Zeit, in der das Ich nicht mehr erzählt, sondern inszeniert wird. Die Antwort auf die einfachste Frage der Welt – »Wer bist du?« – ist längst kein Einblick in das Selbst mehr, sondern eine Werbefläche. Der #Mensch als #Pseudomarke, das #Ich als #Kampagne. Und damit sind wir mittendrin im Zeitalter der »Ich AG«, wie es einst Gerhard #Schröder nannte – damals noch ökonomisch gemeint. Heute ist es ein kultureller Zustand.

Die Erzählung vom Ich ist passé

#Philosophen wie Byung Chul #Han oder Jean #Baudrillard haben diesen Wandel früh beschrieben. Han nennt unsere Gegenwart eine »Transparenzgesellschaft«, in der Intimität der Vermarktung geopfert wird: »Heute wird das Selbst nicht mehr entwickelt, sondern ausgestellt«, Byung Chul Han, »Im Schwarm«.

Wer sich heute vorstellt, stellt nicht mehr sich selbst vor, sondern ein Produkt. Die biografische Erzählung ist abgelöst durch das Portfolio. Das alte Ich war eine Geschichte. Das neue Ich ist ein #Pitch.

Von der Persönlichkeit zur #Performance

Früher war man einfach jemand. Heute muss man jemand sein, den man kennt. Die #Kultur der #Sichtbarkeit dominiert alle anderen Qualitäten. Statt Tugend zählt Reichweite, statt Haltung zählt Hashtag. Wo man einst in Gesprächen Vertrauen aufbaute, zählt heute der Algorithmus. Die Frage »Was liest du gerne?« ist ersetzt worden durch »Wie viele Follower hast du?«.

Susan Sontag schrieb bereits 1977: »Photography is not only about seeing the world, but about being seen in it.«

In der Gegenwart der #Social #Media ist daraus eine Obsession geworden. Der Mensch lebt nicht mehr, um zu erleben, sondern um gesehen zu werden.

Das Verschwinden des Privaten

Der Rückzug ins Private galt einmal als Akt der #Freiheit. Heute ist das Private ein Rohstoff, den man extrahiert, monetarisiert und ausstellt. Authentizität ist zur Währung geworden – und verliert dabei paradoxerweise ihren Wert. Denn was noch echt ist, wenn es immer performt wird? »Erzählen Sie mal was über sich« – diese einst intime Frage ist zur Vorlage für einen #Elevator #Pitch geworden, in dem Likes und Clicks die Rolle von Charaktereigenschaften übernommen haben.

Eine Gesellschaft im #Casting Modus

Der Mensch wird bewertet wie ein Produkt. Sterne, Swipes, Shares. Selbstdefinition ist zur Simulation geworden. Die Frage bleibt: Was passiert, wenn man in all dem nicht mithalten will? Was, wenn man nicht »Nevada Dakota« ist, sondern einfach nur Uschi – mit Apfelkuchen, Pferden und einem Faible für Krimis? Dann ist man unsichtbar. Unvermarktbar. Und damit: kulturell irrelevant.

Der Weg zurück zum echten Selbst führt heute nicht mehr über Sichtbarkeit, sondern über die Verweigerung. Die Revolution der Zukunft könnte darin bestehen, auf die Frage »Und was machen Sie so?« einfach wieder zu sagen: »Ich bin die Uschi. Ich mag Apfelkuchen.« Und damit mehr über sich zu sagen als tausend Followerzahlen.

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