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Symbolbild: Jeremy Bishop

Strukturelle Ausgrenzung: Wenn Medienvielfalt nicht erwuenscht ist

Strukturelle Ausgrenzung: Wenn Medienvielfalt nicht erwünscht ist

Manche Kommunen geben sich offen, bürgernah, modern. Doch bei genauem Hinsehen erkennt man: Es gibt Strukturen, die verhindern, dass alle Stimmen gehört werden. Besonders dann, wenn sie unbequem sind. Das betrifft auch unabhängige #Medien, kleinere #Redaktionen, Einzelpersonen mit eigenem journalistischem Anspruch oder Kulturengagement.

Ein Fall aus einer mittelgroßen Stadt zeigt exemplarisch, wie systematische Ausgrenzung funktioniert: Ein unabhängiges Magazin, das seit einem Vierteljahrhundert besteht, wird von der kommunalen Verwaltung und ihren Eigenbetrieben über Jahre ignoriert, obwohl es Innovation, eigene Entwicklungen, eine Kulturstiftung und professionelle Inhalte bietet. Aufträge fließen an etablierte Medienhäuser, kleinere Anbieter oder persönliche Netzwerke – nicht jedoch an die Redaktion, die kritisch, unbestechlich und lokal verwurzelt arbeitet.

Auf Nachfrage heißt es: Es habe »vergangene Vorkommnisse« gegeben. Was das genau gewesen sein soll, bleibt im Dunkeln. Das sei ein typisches Muster, sagen Experten.

»Ein großes Problem ist die informelle Macht in kleinen und mittleren Kommunen. Wenn jemand nicht mehr eingeladen, nicht mehr zitiert, nicht mehr beachtet wird, obwohl er journalistisch arbeitet, ist das eine Form des strukturellen Ausschlusses«, Markus Grill, Vorsitzender #Netzwerk #Recherche, 2023.

Wenn #Kritik zur Gefahr wird

Der Versuch, über das Informationsfreiheitsgesetz Auskünfte zu erhalten, wird regelmäßig abgewimmelt. Die Begründung: »Konkurrentenschutz«, »Kostenpflichtigkeit«, oder – einfach: Schweigen. Dabei ist das Recht auf Auskunft klar geregelt.

»Öffentliche Stellen sind zur Transparenz verpflichtet. Es gibt kein selektives Informationsrecht nach Gefallen oder Beziehung. Eine Ungleichbehandlung journalistischer Anfragen ist mit dem Presserecht und Informationsrecht nicht vereinbar«, Prof. Dr. Ralf Höcker, Medienanwalt, in der »#FAZ«, 2019.

Ein tieferer Missstand

Solche Fälle sind nicht individuell – sie sind strukturell. Wenn kommunale Entscheider Presseanfragen ignorieren, Aufträge nach Intransparenz verteilen oder Kritiker mundtot machen, geht es um mehr als Befindlichkeiten. Es geht um die Frage, wer Öffentlichkeit herstellen darf – und wer nicht.

»Wenn Behörden Informationen zurückhalten oder selektiv mit Medien umgehen, untergräbt das die Pressefreiheit. Gerade lokaljournalistische Vielfalt muss geschützt werden«, Christina Elmer, Professorin für digitalen Journalismus, #TU #Dortmund, 2023. »Viele Behörden nutzen Intransparenz systematisch als Strategie«, #Correctiv, Dossier zum #Informationsfreiheitsgesetz, 2022.

#Demokratie braucht auch vermeintlich kleine Stimmen

Dabei geht es nicht um persönliche Rache oder gekränkten Stolz. Sondern um #Grundrechte. #Pressefreiheit, #Informationsfreiheit, #Gleichbehandlung im #Wettbewerb. Der Missbrauch kommunaler Macht – sei er juristisch schwer greifbar oder sozial fein codiert – muss thematisiert werden dürfen.

»Demokratie lebt vom Widerspruch. Wer nur die eigene Meinung duldet, hat die Idee der pluralistischen Öffentlichkeit nicht verstanden«, Reporter ohne Grenzen, Jahresbericht Deutschland, 2022.

Rechtliche Grundlagen

Das Landespressegesetz NRW regelt in Paragraph 4 klar: »Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.« Auch das #Informationsfreiheitsgesetz #NRW (IFG NRW) verpflichtet Verwaltungen zur Auskunft: »Jede natürliche Person hat nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes NRW (IFG NRW) Anspruch auf Zugang zu den vorhandenen amtlichen Informationen.« Die Unterschwellenvergabeordnung (UVGO) wiederum verlangt bei öffentlichen Aufträgen eine transparente, diskriminierungsfreie Vergabe: »Öffentliche Aufträge werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben.« Und das #Gesetz gegen #Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) schützt vor institutioneller Marktverzerrung: »Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.«​ Werden diese Prinzipien systematisch verletzt, geht es nicht mehr um Einzelfälle, sondern um strukturelle Demokratieprobleme.​

Besonders betroffen sind kleine, lokal aktive Medien – oft mit langer Erfahrung, hoher Reichweite, aber ohne institutionelle Anbindung. Sie sind unabhängig, denken quer, arbeiten digital. Doch genau diese Unabhängigkeit macht sie in manchen kommunalen Strukturen verdächtig. Sie sind nicht steuerbar. Und das wird als Bedrohung empfunden.​ Diese Art von struktureller Ausgrenzung ist nicht nur ein Problem für die Betroffenen. Sie ist ein Problem für die Öffentlichkeit insgesamt. Denn sie verzerrt die Meinungsvielfalt, schwächt die demokratische Kontrolle und fördert verkrustete Machtverhältnisse. Dort, wo nur noch berichtet wird, was genehm ist, stirbt die Öffentlichkeit leise.

Was tun?

Die betroffene Redaktion hat begonnen, sich zu wehren. Nicht mit Gegenschlägen – sondern mit systematischer Dokumentation, juristischer Prüfung, Öffentlichkeitsarbeit. Denn es geht nicht nur um einen Fall. Sondern um viele, die aus Angst schweigen – oder längst aufgeben mussten. Wenn öffentliche Institutionen und etablierte Strukturen bestimmen, wer gehört wird – und wer nicht – ist das keine verwaltungstechnische Entscheidung. Es ist eine Frage der Macht in der #Demokratie.

Es braucht ein neues Bewusstsein für die Rolle unabhängiger Medien – gerade auf kommunaler Ebene. Und es braucht Journalisten, die nicht nur über Missstände berichten, sondern auch über die Bedingungen, unter denen sie arbeiten (oder nicht arbeiten dürfen).​ Denn manchmal zeigt sich der Zustand einer Demokratie nicht in den Schlagzeilen – sondern in den E Mails, die nicht beantwortet werden. In den Pressemitteilungen, die nicht verschickt werden. In den Aufträgen, die nur unter der Hand vergeben werden.​ Und in der Angst vor Stimmen, die man nicht kontrollieren kann.

»Die Presse muss die Freiheit haben, alles zu sagen, damit gewissen Leuten die Freiheit genommen wird, alles zu tun.« Dieses prägnante Zitat stammt von Alain Peyrefitte, französischer Politiker und Publizist. Jean Jacques #Rousseau sah in der Presse bereits im 18. Jahrhundert eine zentrale Säule der Demokratie – ein Gedanke, der aktueller nicht sein könnte. Denn eine funktionierende Demokratie braucht kritische, unabhängige Medien – ebenso wie Sauerstoff zum Überleben.

Die Aufgaben der Presse sind klar: informieren, kontrollieren, aufklären. Ohne unabhängigen Journalismus gäbe es keine Watergate Affäre, keine »Spiegel Affäre«, keine Panama Papers, keine Ibiza Affäre, keine öffentlichen Debatten über Machtmissbrauch oder Korruption. Medien schaffen Transparenz – und zwingen Institutionen zur Rechenschaft.

Deshalb schützt Artikel 5 des Grundgesetzes die Pressefreiheit ausdrücklich. »Eine Zensur findet nicht statt« – dieser Satz markiert eine fundamentale Grenze zwischen demokratischen Rechtsstaaten und autoritären Systemen. In Deutschland ist Meinungsvielfalt erlaubt, selbst wenn sie unbequem oder provokant ist – solange sie nicht die Strafgesetze verletzt. Diese Freiheit ist kein Luxus, sondern Voraussetzung für eine offene Gesellschaft. Das gilt vor allem und umso mehr, je verdeckter diese Rechte eingeschränkt werden. Vor allem auch dann, wenn strukturelle Eingriffe stattfinden, die nach außen hin als legitim dargestellt werden oder schlicht geleugnet und ignoriert werden. Die Eingriffe können sich derweil unterschiedlich darstellen – als Bekämpfung, Ignoranz, Verleugnung, Benachteiligung, Ausgrenzung oder auch als Übervorteilung und Bevorzugung aller gegenüber Betroffenen. Die Möglichkeiten sind zahllos.

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